„Hospize bejahen das Leben. Hospize machen es sich zur Aufgabe, Menschen in der letzten Phase einer unheilbaren Krankheit zu unterstützen und zu pflegen, damit sie in dieser Zeit so bewusst und zufrieden wie möglich leben können. – Hospize wollen den Tod weder beschleunigen noch hinauszögern. Hospize leben aus der Hoffnung und Überzeugung, dass sich Patienten und ihre Familien so weit geistig und spirituell auf den Tod vorbereiten können, dass sie bereit sind, ihn anzunehmen. Voraussetzung hierfür ist, dass eine angemessene Pflege gewährleistet ist und es gelingt, eine Gemeinschaft von Menschen zu bilden, die sich ihrer Bedürfnisse verständnisvoll annimmt.“ National Hospice Organization (USA) www.nho.org
Umfragen ergeben, dass 80 bis 90% aller befragten Menschen in den westlichen Industriestaaten den Wunsch äußern, zu Hause sterben zu dürfen. Wunsch und Wirklichkeit des Sterbens zu Hause klaffen in Deutschland jedoch noch weit auseinander. Nur 10 bis 20% aller Menschen gelingt es zurzeit in Deutschlands Städten tatsächlich zu Hause zu sterben. Die anderen beenden ihr Leben in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Dies ist ein deutliches Zeichen dafür, wie schwierig die Situation Sterbender in unserer Zeit geworden ist. - Aber war das früher besser? Immerhin, die Zahlen scheinen dafür zu sprechen, denn noch am Anfang dieses Jahrhunderts starben etwa 80% aller Menschen zu Hause.
Der Beginn der Hospizbwegung In Großbritannien und den USA konnte schon in den 1970er Jahren eine deutliche Trendwende im Umgang mit sterbenden Menschen erreicht werden. Der menschenwürdige Umgang mit Sterbenden wurde vor allem durch die aus der Schweiz stammende und in den USA wirkende Psychiaterin Dr. Elisabeth Kübler-Ross und die englische Sozialarbeiterin, Ärztin und Krankenschwester Cicely Saunders eingeleitet. Cicely Saunders gründete 1967 ein Haus für sterbende Menschen, das sie als „Hospiz“ (hospice) bezeichnete. Damit setzte sie einen Impuls, der eine weltweite Bewegung anstieß: die Hospizbewegung.
Die 5 Kennzeichen des Hospiz-Konzeptes Wenn wir heute, fast 40 Jahre später, verstehen wollen, was „Hospiz“ meint, können wir weniger auf formale Strukturen verweisen, als vielmehr eine Reihe inhaltlicher Kennzeichen nennen. Es gibt fünf Kennzeichen, die allen Hospizangeboten weltweit gemeinsam sind: 1. Das erste Kennzeichen heißt: Der sterbende Mensch und seine Angehörigen stehen im Zentrum des Dienstes. Dies bedeutet, dass die Kontrolle über die Situation ganz bei den Betroffenen liegt. Dies ist ein entscheidender Unterschied zu herkömmlichen Institutionen des Gesundheitswesens, die viel eher das Handeln nach abstrakten Therapiekonzepten oder Krankheitsvorstellungen ausrichten. Nicht weniger wichtig ist jedoch (und auch dies ist ungewöhnlich für unser Gesundheitswesen), dass die Angehörigen in gleicher Weise mit bedacht werden in dem Wissen, dass sie oftmals mehr leiden als die sterbenden Menschen selbst. 2. Zweites Kennzeichen: Der Gruppe der Betroffenen steht ein interdisziplinäres Team zur Verfügung. Dieses besteht nicht nur aus medizinischem Personal, wie Ärztin bzw. Arzt und Pflegekräften, sondern bezieht weitere Berufsgruppen, insbesondere Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Seelsorgerinnen/Seelsorger ein. Denn sterben ist keine Krankheit, sondern eine kritische Lebensphase, die oftmals mit Krankheit verbunden ist. Hieraus entstehen vielfältige Lebensbedürfnisse, denen nur durch ein Team begegnet werden kann, das hierfür ausgerüstet ist. - Die Teammitglieder haben aber nicht nur Aufgaben gegenüber der betroffenen Gruppe, sondern auch untereinander. Sie sollen sich gegenseitig so unterstützen, dass sie inneres Wachstum aller Teammitglieder fördern und auf diese Weise dem burn out entgegenwirken. 3. Drittes Kennzeichen: Die Einbeziehung freiwilliger Helferinnen und Helfer. Diese „Ehrenamtlichen“ werden im Hospiz nicht als Lückenbüßer missbraucht. Die freiwilligen Helferinnen und Helfer haben ganz eigenständige Aufgaben, indem sie alltägliches tun: wie kochen, einkaufen, Kinder hüten, am Bett sitzen, reden, sich zur Verfügung stellen. Ihr Ziel ist es, Sterbebegleitung zu einem Teil alltäglicher mitmenschlicher Begegnungen zu machen und damit der Integration des Sterbens in den Alltag zu dienen, Sterbenden und Trauernden die Teilhabe an der Gesellschaft (wieder) zu ermöglichen. (Weitere Informationen in unserem Download-Bereich.)
4. Viertes Kennzeichen: Gute Kenntnisse in der Symptomkontrolle. Hier geht es insbesondere (aber nicht nur) um die Schmerztherapie. Auf dem Gebiet der Schmerztherapie hat die Hospizbewegung in den Jahrzehnten ihres Bestehens bemerkenswertes geleistet und erhebliche Verbesserungen herbeigeführt. Sie hat damit der Tatsache Rechnung getragen, dass es zu den größten Ängsten sterbender Menschen gehört, unter Schmerzen leiden zu müssen. Tatsächlich ist es so, dass bis zu 80% aller krebskranken Menschen in der allerletzten Lebensphase mehr oder minder stark ausgeprägte Schmerzen empfinden. Hierbei handelt es sich allerdings um besonders gut behandelbare Schmerzen. In etwa 95% aller Fälle können die Schmerzen sterbender Menschen mit den Methoden der modernen Schmerztherapie erfolgreich behandelt werden. Nach wie vor das wichtigste Medikament auf diesem Gebiet ist das über den Mund gegebene Morphin. Der Morphinverbrauch eines Landes ist damit zugleich ein Indikator für die Qualität der Schmerztherapie in dem betreffenden Land. Vergleicht man den Morphinverbrauch der europäischen Staaten, dann zeigt sich, dass die Bundesrepublik hier eine deutliche Schlusslichtposition einnimmt. Dies verweist auf besonders schwerwiegende Defizite der Sterbebegleitung in der Bundesrepublik. Dies zeigt sich darin, dass vermutlich noch immer etwa 70 bis 80% aller schmerzkranken Patienten hierzulande nach wie vor unzureichend behandelt werden. Dies ist ein bedeutsames Feld der Palliativ-Medizin i. e. S.
Über all diesen medikamentösen Überlegungen darf jedoch nicht vergessen werden, dass Schmerz stets den ganzen Menschen betrifft und deshalb Schmerztherapie auch alle vier Dimensionen unserer menschlichen Existenz berücksichtigen muss. Berücksichtigung der körperlichen Dimension des Schmerzes heißt insbesondere: Sorgsamer Umgang mit dem geschundenen Körper des Kranken. Dies verweist auf die hohe Bedeutung der Pflege im Umgang mit sterbenden Menschen, Pflege, die auch immer gleichzeitig liebevolle Berührung sein sollte. Die soziale Dimension des Schmerzes wird berücksichtigt, wenn Hospize die schmerzsteigernde Isolation, die Sterbende oft betrifft, aufzulösen trachten. Ängste können Schmerzen verstärken. Deshalb muss gute Schmerztherapie auch diesen seelischen Sektor einbeziehen, indem sie die Ängste Betroffener lindert. Aber auch die ungelöste Beziehung zu letzten Dingen, zu religiösen Fragen kann Schmerzen verstärken und hier zeigt sich, dass auch Seelsorge neben ihren anderen vielfältigen Aufgaben einen schmerzlindernden Effekt erzielen kann. 5. Fünftes Kennzeichen eines Hospizkonzeptes ist die Kontinuität der Fürsorge für die betroffene Gruppe. Dies bedeutet vor allem, dass ein Hospizdienst rund um die Uhr erreichbar sein muss. Leider geschieht es heute immer wieder, dass Menschen kurz vor ihrem Tode noch in die Klinik eingewiesen werden, weil dieser Typ von Hilfe fehlt. Krisen im körperlichen und seelischen Bereich sind nicht an Dienstzeiten gebunden! Nicht selten fühlen sich Familien gerade in den frühen Morgenstunden oder nachts mit ihren Problemen derart allein gelassen, dass sie keinen anderen Ausweg mehr wissen als einer Einweisung des Patienten in die Klinik zuzustimmen. Dem kann ein Hospizdienst, der rund um die Uhr erreichbar ist, oftmals schon mit geringem Aufwand per Telefon entgegenwirken. Kontinuität der Fürsorge hat aber noch einen weiteren Aspekt: Sie bedeutet, dass die Begleitung einer Familie nicht mit dem Tod eines Angehörigen beendet wird. Gerade diejenige Person des Teams, die besonders enge Kontakte zur Familie hatte, sollte den Hinterbliebenen auch in der Zeit der Trauer weiterhin zur Verfügung stehen. Trauer ist ohnedies eine besonders krankheitsbelastete Phase des Lebens. Gute Trauerbegleitung kann diese gesundheitlichen Risiken mindern und dazu beitragen, dass die Hinterbliebenen ohne zusätzliche körperliche und seelische Schäden die Zeit nach dem Tod eines Menschen überstehen.
Hospizarbeit bedeutet in erster Linie, Methoden zu entwickeln, um das Sterben zu Hause und in Geborgenheit zu ermöglichen.
Konkrete Organisationsformen von Hospiz-Angeboten in Deutschland: Ambulante Hospiz-Dienste Hierbei handelt es sich um eine nach wie vor wesentlich von Freiwilligen Helferinnen und Helfern getragene Arbeit, die sorgfältig geschult werden, kontinuierliche Supervision erhalten und deren Tätigkeit von hauptamtlichern Kräften koordiniert wird. Sie stellen nach wie vor die Basis der Hospizarbeit in Deutschland dar. Ihr Angebot besteht im Idealfall in einer intensiven psychosozialen Begleitung betroffener Familien (einschließlich einer 24-Stunden-Rufbereitschaft) sowie sorgfältiger Beachtung des körperlichen Befindens und der Fähigkeit, fachkundige Hilfe für die palliativ-medizinische Betreuung beizuziehen. (Bei ambulanten Diensten, die dieses Niveau nicht erreichen spricht man von Hospiz-Initiativen. Werden die Freiwilligen Helferinnen und Helfer überwiegend nicht zu Hause sondern in der Begleitung sterbenskranker Menschen in Institutionen wie Krankenhäusern und Pflegeheimen tätig, so spricht man vielfach auch von „Sitzwachengruppen“. Eine weitere Variante der ambulanten Hospizangebote stellen die ambulanten Palliative Care-Teams dar. Dies sind entweder spezialisierte Pflegedienste, die ausschließlich oder überwiegend (in Zusammenarbeit mit Ambulanten Hospizdiensten) palliative Pflege anbieten oder die „Brückenschwestern“ (für krebskranke Menschen) oder die Ambulanten Hospizschwestern (für Menschen mit und ohne Krebserkrankung), die Palliative Care-Beratung für Pflegedienste, Hausärzte und Betroffene anbieten und deren palliativ-medizinische Versorgung zu Hause sichern.
Stationäre Hospiz-Einrichtungen Bei den stationären Hospizeinrichtungen finden wir zum einen die Stationären Hospize. Es sind meist kleine Betteneinheiten, die ohne Anbindung an eine größere Institution arbeiten und von einer speziell in Palliative Care ausgebildeten Pflegekraft geleitet werden. In enger Kooperation mit Freiwilligen Helferinnen und Helfern und einem fachkundigen Hausarzt pflegen und behandeln sie Menschen, deren Lebensspanne nur noch Tage oder Wochen beträgt und die unter derart schwerwiegenden körperlichen, sozialen, seelischen oder spirituellen Beschwerden leiden, dass diese sich weder zu Hause noch in einem Pflegeheim lindern lassen. (Welche Menschen in ein stationäres Hospiz aufgenommen werden können, richtet sich nach § 39a des V. Sozialgesetzbuches. Was das im Einzelnen bedeutet, kann dieser Liste entnommen werden.) Zu den stationären Hospiz-Einrichtungen gehören auch die Palliativstationen. Dies sind Hospizstationen, die fest in eine Klinik eingebunden sind und nach demselben Organisationsmodell geführt werden, wie sie auch für andere (insbesondere internistische Stationen) gelten. Auf der Station sind neben den Pflegekräften fest angestellte Ärzte tätig. Mit der Palliativstation kommen lebensbedrohlich kranke Menschen mit schwerwiegenden Beschwerden meist schon zu einem früheren Zeitpunkt ihrer Erkrankung in Berührung, auch wenn noch Behandlungsmaßnahmen zur Heilung oder wenigstens Lebensverlängerung geplant sind. Ziel ist es, in erster Linie körperliche Beschwerden zu lindern. Die teilstationären Hospize, die bislang in Deutschland nur sehr schwer Fuß fassen konnten, stehen in ihrer Funktion zwischen stationären und ambulanten Angeboten. Sie nehmen Menschen mit schwerwiegenden körperlichen, seelischen, spirituellen oder sozialen Problemen an einem oder mehreren Tagen in der Woche tagsüber (Tageshospize) oder während der Nachtstunden (Nachthospize) auf, um auf diese Weise ein Sterben zu Hausemöglich zu machen.
Eine weitere Sonderform der Hospizarbeit stellen die Kinderhospizedar.
Wenn Sie zu diesen Themen mehr wissen wollen: (Die Bücher erhalten Sie in Ihrer Buchhandlung oder bei www.amazon.de)
Student, J.-C., Mühlum, A., Student, U.: Soziale Arbeit in Hospiz und Palliative Care. Ernst Reinhardt UTB, München 2004
Student, J.-C. (Hrsg.): Sterben, Tod und Trauer – Handbuch für Begleitende. 2. Auflage, Herder, Freiburg 2006
Student, J.-C. & Napiwotzky, A.: Palliative Care: wahrnehmen – verstehen – schützen. Buch und DVD, Thieme, Stuttgart 2007 Mit einem Geleitwort von Liliane Juchli
...und zum Thema Kinderhospiz das Standard-Werk:
Student, J.-C. (Hrsg.): Im Himmel welken keine Blumen - Kinder begegnen dem Tod. 5. Auflage, Verlag Herder, Freiburg 2005